Advanced Analytics in der DACH-Region<br>

Advanced Analytics in der DACH-Region

BARC untersucht mittels seiner Anwenderbefragung „Advanced & Predictive Analytics DACH“ aktuelle Entwicklungen in Anwenderunternehmen.

23.04.2018, Autoren: Dr. Sebastian Derwisch und Lars Iffert

Der Begriff „Advanced Analytics“ beschreibt Datenanalysen, die über einfache mathematische Berechnungen wie Summen- und Durchschnittsbildung, Filterfunktion oder Sortierung hinausgehen. Fortgeschrittene Analysen nutzen mathematische und statistische Formeln und Algorithmen mit dem Ziel, neue Informationen zu erzeugen, Muster zu erkennen und auch Vorhersagewerte mit den zugehörigen Wahrscheinlichkeiten zu berechnen. Zur Umsetzung von Advanced Analytics müssen Verantwortliche in Unternehmen einige Entscheidungen treffen: Welche Anwendungsfälle sollen angegangen werden, welchen Stellenwert soll das Thema generell im Unternehmen haben, welche Rollen mit welchen Fähigkeiten sollen aufgebaut oder genutzt werden und auf welche Technologie möchte man sinnvollerweise setzen?

Jedes Jahr untersucht BARC mittels seiner Anwenderbefragung „Advanced & Predictive Analytics DACH“ die gegenwärtigen Advanced-Analytics-Entwicklungen bei Anwenderunternehmen im deutschsprachigen Raum. Mit 210 Teilnehmern bei einer breit gefächerten Branchenverteilung deckt die aktuelle Studie verschiedene Unternehmensgrößen ab und bietet einen objektiven Blick auf den Status quo und die Planung von Unternehmen hinsichtlich Advanced und Predictive Analytics. Der Artikel stellt wesentliche Ergebnisse aus dem Survey 2017 vor.

Unternehmen befinden sich überwiegend in der Prototypisierung von Advanced Analytics Use Cases

Der Reifegrad von Unternehmen in Bezug auf die Umsetzung von Advanced Analytics variiert stark. Dem analytischen Zyklus folgend haben wir die Teilnehmer der Studie gefragt, in welcher Phase der Umsetzung sie sich gegenwärtig hauptsächlich befinden.

Über 50% der befragten Unternehmen, die aktuell Advanced Analytics nutzen, befinden sich derzeit in der Prototypisierung von Use Cases bzw. der Evaluation der Prototypen. Rund ¼ hat diese Phase bereits abgeschlossen und setzt Advanced Analytics regelmäßig zur Entscheidungsunterstützung ein (15%) oder hat wichtige Geschäftsprozesse automatisiert (7%). 18% befinden sich derzeit in der Use-Case-Identifikation.
Die Unternehmen, die Advanced Analytics in eine konsistente Strategie einbetten, sind jedoch nach wie vor in der Unterzahl (5%). Die Mehrheit der Unternehmen (50%) beginnt sich in einzelnen Projekten zu orientieren bzw. informiert sich auf Tagungen oder mittels externer Dienstleister über Wege, Advanced
Analytics ins Unternehmen zu tragen.

Abbildung 1: „In welcher Phase der Umsetzung befinden Sie sich derzeit hauptsächlich?“ nach fachbereichsgetriebenen und IT- & Data-Scientist-getriebenen Unternehmen (n=74)

Eine Infografik zur BARC-Studie Advanced Analytics stellt einige der interessantesten Ergebnisse vor.

Das Management ist die treibende Kraft für Advanced-Analytics-Projekte

Data Scientists sind rar. Daher verwundert es nicht, dass Key-User im Fachbereich die größte Anwendergruppe für Advanced Analytics stellen. Bei ¼ der Unternehmen führen Key User Data Science durch. 20% der befragten Unternehmen nutzen Data Scientists, wobei nur bei etwas über der Hälfte Data Scientists in einem Data Lab organisiert sind. Data Scientists gewinnen insgesamt im Vergleich zum Vorjahr an Bedeutung für die Umsetzung von Advanced-Analytics-Projekten. Externe Dienstleister werden nach wie vor immerhin von 13% der Befragten genutzt. Treiber bzw. Vordenker von Advanced Analytics ist das Management, gefolgt vom Fachbereich Finanzen/Controlling, wobei die BI-Organisation hier an dritter Stelle ebenfalls eine wichtige Rolle als Vordenker einnimmt.


Fachbereiche setzen Advanced Analytics durch Applikationen und BI-Werkzeuge um

Um Advanced Analytics umzusetzen, ist spezielle Software für Datenaufbereitung und mathematische Modellierung notwendig. Hierfür kann man auf BI-Werkzeuge setzen, die Open-Source-Programmiersprachen integrieren oder selber gewisse Funktionalitäten anbieten. Oder es wird eine spezielle Data-Mining-Software genutzt. Die Ergebnisse zeigen, dass Unternehmen am häufigsten auf BI-Umgebungen setzen (75%). Data-Mining-Werkzeuge sind weniger verbreitet (42%). Excel/Power BI ist hierbei das am häufigsten verwendete Werkzeug (45%), gefolgt von R (43%), das sich mittlerweile gut mit den meisten populären BI-Werkzeugen kombinieren lässt. Spezialanwendungen für bestimmte Use Cases kommen bei 36% der Teilnehmer zum Einsatz.

Abbildung 2: „Nutzen Sie Advanced und Predictive Analytics in Ihrem Unternehmen?“ (n=210)

Fachbereichsgetriebene Unternehmen beklagen fehlende mathematische/statistische Kompetenzen

Die Umsetzung von Advanced-Analytics-Projekten verlangt gewisse Kompetenzen. Im Kern geht es darum, die richtigen mathematischen Modelle auszuwählen und an vorhandene Daten anzupassen, die Daten aufzubereiten und fertige Modelle zu operationalisieren. Wir wollten wissen, welche der Kompetenzen den Unternehmen in der Umsetzung fehlen.

Statistisches Verständnis steht bei dieser Frage an erster Stelle. Für fachbereichsgetriebene Unternehmen ist dies die wichtigste (44%), für IT- und Data-Scientist-getriebene Unternehmen die zweitwichtigste Kompetenz (36%), bei der zusätzlicher Bedarf besteht. Interessant ist auch, dass bei Unternehmen mit Data Scientists die Moderation zwischen Fachbereich und IT eine wichtige Kompetenz ist, bei der zusätzlicher Bedarf besteht.

Nach unserer Erfahrung sind die Vorteile der Umsetzung von Data-Science-Projekten im Fachbereich in der Verfügbarkeit von Prozess- & Domänenwissen sowie der Nähe zu Fachprozessen zur einfacheren Änderung und Anpassung von Geschäftsmodellen zu sehen. Eigenständige Data Labs oder IT-Abteilungen, die Advanced Analytics umsetzen, müssen mit der fehlenden Nähe zu den operativen Prozessen umgehen, weshalb eine gute Kommunikation mit dem Fachbereich kritisch für die Identifikation der Use Cases, die Interpretation der Daten, die Realisierung der Advanced-Analytics-Prototypen und schließlich die Operationalisierung der Lösung ist. 

Fazit & BARC-Handlungsempfehlungen


Kommunikation ist wichtig
: Für die Use-Case-Identifikation, die Beurteilung von Prototypen und die Operationalisierung ist die Kommunikation zwischen Data Scientists, Fachbereichen und IT extrem wichtig. Hier sind Unternehmen, die Data Science auch im Fachbereich verankert haben, im Vorteil, da die Nähe zu den zu optimierenden Prozessen gegeben ist. IT- & Data-Scientist-getriebene Unternehmen müssen daran arbeiten, ein Verständnis für die Prozesse und Methoden im Bereich Advanced Analytics in den Fachbereichen aufzubauen und die analytische Kapazität zu stärken.  

Data Science dauert: Um Advanced Analytics umzusetzen, müssen Investitionen getätigt und Projektteams gebildet werden. Mitarbeiter, die in diese Initiativen involviert sind, müssen über ein ausreichendes Zeitbudget verfügen. Dass dies nach wie vor nicht umfassend berücksichtigt wird, zeigen die Ergebnisse der Umfrage: Fehlende Ressourcen in Fachbereich und IT sowie fehlende Data Scientists werden als größte Probleme genannt.

Data Science kostet: Advanced Analytics Use Cases wie fortgeschrittene Entscheidungsunterstützung oder Prozess-automatisierung erfordern besondere Software, um die Datenaufbereitung schneller, die Modellierung präziser und die Operationalisierung einfacher zu machen. Hier haben Fachbereiche Nachholbedarf und bemängeln fehlende Unterstützung durch die IT.

Externe Beratung hilft: Externe Beratung sollte langfristig nicht den Aufbau entsprechender Kapazitäten im Unternehmen ersetzen, kann aber Lernprozesse beschleunigen. Sinnvolle Schwerpunkte sollten im Aufbau analytischer Kompetenz in den Fachbereichen, der Vermittlung des notwendigen speziellen Know-hows in den Data-Science-Teams, sowie im Ausbau der Methodik-Kompetenz für die Identifikation und Priorisierung von Use Cases liegen.

Abbildung 3: „Welche softwareseitige Unterstützung für fortgeschrittene Analysen haben Sie in Ihrem Unternehmen im Einsatz bzw. planen Sie, zukünftig einzusetzen?“ nach fachbereichsgetriebenen und IT- & Data-Scientist-getriebenen Unternehmen (n=162)

Dr. Sebastian Derwisch ist Data Scientist am Business Application Research Center (BARC). Er berät Unternehmen in den Bereichen Use-Case-Identifikation für Datenanalyse, Werkzeugauswahl für Advanced Analytics und die Organisation von Data-Science-Teams. Er führt Proof of Concepts für Advanced Analytics durch und gibt Data Science Coachings. Sebastian Derwisch ist Autor von BARC-Marktstudien und Forschungsartikeln, hält Vorträge auf Konferenzen und BARC- und Inhouse-Seminare.

Lars Iffert ist Analyst und Berater am Business Application Research Center (BARC). Seine Schwerpunkte sind die Datenverwaltung, Datenintegration, Datenqualität, sowie Advanced und Predictive Analytics. Er unterstützt Unternehmen bei strategischen Fragen, im Softwareauswahlprozess und in der Überprüfung bestehender Lösungen. Er ist Autor einiger BARC-Anwenderstudien und Marktübersichten.