„Es fällt vielen Branchen schwer, die Potenziale der Digitalisierung zu erkennen."<br>

„Es fällt vielen Branchen schwer, die Potenziale der Digitalisierung zu erkennen."

Interview mit Dr. Franziska Deutschmann

25.03.2021, BI Scout Interview

Wie und wo sind Digitalisierung, Datenarbeit & Co. in den Unternehmen angekommen? Die Studie "the factlights 2020" hat untersucht, wie weit Unternehmen im deutschsprachigen Raum bereits mit der Digitalisierung fortgeschritten sind und wo Daten als wertvolles Wirtschaftsgut angesehen werden. Die Autorin der Studie, Dr. Franziska Deutschmann, stand BI Scout Frage und Antwort.

Frau Dr. Deutschmann, die Studie "factlights 2020" zeigt große Unterschiede zwischen einzelnen Branchen bei der Nutzung von Daten und Fortschritten bei der Digitalisierung. Welche Gründe gibt es dafür?

Dr. Franziska Deutschmann: Jede Branche hat ihre Besonderheiten. In der ITK und im Handel ist laut unserer Untersuchung interne Software mit Abstand die wichtigste Datenquelle. Es scheint, als fiele es Unternehmen bei digital vorliegenden Daten verhältnismäßig leicht, sie als wertvolles Asset zu erkennen. Bei manuell zu erfassenden Daten scheint das schwieriger wegen des hohen Aufbereitungsaufwands. Zudem ist wohl oft unklar, ob und wann sich eine Investition auszahlt. Als Folge werden vermutlich manuelle Daten als weniger oder gar nicht wertvoll angesehen. Im Baugewerbe etwa sind sie die wichtigste Quelle für Analysen und werden dennoch selten als wertvolles Wirtschaftsgut betrachtet.

In der öffentlichen Verwaltung ließen sich zudem essenzielle Datenquellen für den Bereich Analytics nur selten identifizieren – es scheint schwerzufallen, die Potenziale der Digitalisierung zu erkennen und zu nutzen. Mutmaßlich hinderlich sind hier auch fehlende Anreize zu digitalisieren.


Lässt sich trotz der Branchenunterschiede ein genereller Trend erkennen, welche Unternehmen eher Daten als wertvolles Asset erkennen und welche nicht?

FD: Ja. Bis auf wenige Ausnahmen werden in Branchen mit höherem Digitalisierungsgrad Daten eher als Asset erkannt als in schlechter digitalisierten. Es stellt sich nun natürlich die Frage, ob das Ursache oder Folge des höheren Digitalisierungsgrades ist. Haben diese Unternehmen mehr Erfahrung im Rahmen der Digitalisierung und unterschätzen den Wert von Daten daher seltener? Oder meistern sie schlicht die Digitalisierung besser, weil sie frühzeitig das Potenzial der Daten erkannt haben? Das ist in der Tat eine äußerst interessante Fragestellung, jedoch müsste man hier mehr über die Ausgangsposition der einzelnen Unternehmen wissen. Es würde sich lohnen, in der nächsten the factlights-Studie darauf genauer einzugehen.

Wachstumsstarke Branchen scheinen eher Daten als wertvolles Wirtschaftsgut zu betrachten. Ist das ein Hinweis darauf, dass die erfolgreichen Unternehmen gerade deshalb wachsen, weil sie Daten als wertvolles Asset sehen und somit schneller in der Digitalisierung voranschreiten?

FD: So pauschal kann man das leider nicht sagen. Denn unter den wachstumsstarken Branchen befinden sich neben der starkt digitalisierten ITK auch Branchen mit mittlerem (Handel, Verkehr) und eher niedrigem (Bau, Gesundheit) Digitalisierungsgrad. Mutmaßlich setzen sich diese Branchen zunehmend mit Digitalisierung auseinander und erkennen dadurch den wahren Wert der Daten. So werden in Handel und Gesundheit Daten häufiger als Asset wahrgenommen, als ihr Digitalisierungsgrad erwarten lassen würde. Insbesondere weil sich beide eher auf interne Software als Datenquelle fokussieren, sind die Hürden vergleichsweise gering.

Anders sieht es in Verkehr/Logistik und Bau aus. Hier spielen neben der internen Software auch Sensorik bzw. die manuelle Erfassung als Datenquelle eine bedeutende Rolle. Dadurch ist in der Regel der Aufwand, die Daten für Analysen bereitzustellen, höher als etwa im Handel. Erlaubt das Wachstum, dass sich diese Branchen zunehmend mit dem Wert ihrer Daten auseinandersetzen, stoßen sie vermutlich eher auf Hürden und nehmen wohl seltener ihre Daten als wertvoll wahr. Insbesondere im Baugewerbe werden Daten sehr viel seltener als wertvolles Wirtschaftsgut gesehen, als der Digitalisierungsgrad es vermuten lassen würde.

Dr. Franziska Deutschmann ist Analystin und Autorin von the factlights 2020 und Data Science Consultant bei der QUNIS GmbH sowie Referentin der CA controller akademie AG. Sie berät und unterstützt internationale Unternehmen in Advanced Analytics, Machine Learning und Data-Science-Projekten.
Kontakt: Email | LinkedIn

Digitalisierungsgrad nach Branchen

Die wichtigsten Datenquellen im Bereich Analytics für das Kerngeschäft eines Unternehmens (je dunkler die Zahl, desto wichtiger).

"Daten werden in unserem Unternehmen als wertvolles Wirtschaftsgut gesehen"

Wir haben schon gesehen, dass es Datenquellen gibt, die nicht mehr nur für das Controlling relevant sind, Sensorik, soziale Netzwerke usw. Kann man hier einen Zusammenhang sehen, abhängig davon, welche Bereiche Daten für Analytics-Zwecke nutzen, ob die Daten eher als wertvolles Asset angesehen werden?

FD: Ja. Prinzipiell sehen wir, dass Daten häufiger als wertvolles Asset erkannt werden, wenn sie außerhalb der typischen Verwendungsbereiche des Controllings oder F&E zu Analysezwecken genutzt werden, etwa in der Rechtsabteilung, in HR, Marketing, Vertrieb und Kundenservice. Aber auch hier stellt sich wieder die Henne-Ei-Frage: Betreibt man Analysen, weil man sich des in den Daten schlummernden Assets im Vorfeld bewusst war, ist es gar schon zum Standard geworden oder wurde der Wert erst nach den ersten Analysen im Rahmen der Digitalisierung erkannt? So oder so: Sobald die ersten erfolgreichen Analysen einen Mehrwert für das Unternehmen generieren, lässt sich der den Daten innewohnende Wert nicht mehr leugnen.


Danke für das Gespräch, Frau Dr. Deutschmann!

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Video: Die Ergebnisse der Studie "factlights 2020" im Überblick.

In der Studie unter www.the-factlights.de/studie2020 finden sich viele weitere Daten, Fakten, Einschätzungen und Empfehlungen dazu sowie Branchenspecials, Extra Notes sowie Expert Quotes.


Über the factlights 2020

the factlights ist eine Initiative des Data & Analytics-Experten QUNIS: Die diesjährige Studie the factlights 2020 wird zusammen mit namhaften Partnern und Sponsoren durchgeführt. Dazu zählen die CA controller akademie, führender Schulungs- und Weiterbildungsanbieter für Finance und Controlling, die Rechtsanwaltsgesellschaft HEUSSEN, der Digitalisierungsexperte Liebich & Partner sowie die WTS ITAX.