Philip Morris International (PMI) ist seit jeher für seine Zigarettenmarken wie beispielsweise Marlboro bekannt. Vor kurzem verkündete das Unternehmen eine komplette Abkehr von seinen bisherigen Kernprodukten. Unter dem Motto „Unsmoke“ möchte man Alternativen zum Zigarettenkonsum, zum Beispiel E-Zigaretten, bewerben. Ein Grund dafür dürfte das sich ändernde Konsumverhalten sein, weshalb Philip Morris kürzlich in Berlin eine Zigarettenfabrik schließen musste. Außerdem steht PMI vor der großen Herausforderung, das schlechte Image des Unternehmens aufzupolieren.
Business Intelligence bei Philip Morris
Damit die Transformation des Unternehmens vom reinen Produzenten zum Forschungs- und Technologieunternehmen gelingt, hat sich PMI in den letzten Jahren völlig neu aufgestellt und setzt dabei auf Lösungen für Business Intelligence (BI), Analytics und Datenmanagement. Tabakprodukte unterliegen hohen regulatorischen Anforderungen sowie Berichtspflichten gegenüber Aufsichtsbehörden. Deshalb hat Philip Morris ein Verfahren definiert, auf dessen Grundlage das Unternehmen seine klinischen und nicht-klinischen Studien durchführt und Dossiers und Daten an die Aufsichtsbehörden übermittelt. Als technische Grundlage dafür hat PMI BI-Lösungen in den gesamten wissenschaftlichen Prozess integriert. Das umfasst Analyse und Reporting der Ergebnisse der klinischen und nicht-klinischen Studien, die Übermittlung von CDISC-konformen Daten (siehe Kasten) bis hin zu Datenmodellierung, Prognosen und Predictive Analytics.
"Unsmoke" - ist das Motto einer Kampagne von Philip Morris, die Zigarettenkonsum reduzieren soll.
Dr. Gizelle Baker, Director Scientific Engagement bei Philip Morris International, sprach mit BI Scout im Rahmen des SAS Forums im Juni 2019 über die Transformation des Unternehmens und welche Rolle BI- und Datenmanagement-Technologien dabei spielen.
BI Scout: Dr. Baker, Philip Morris hat sich mit der Neuausrichtung des Unternehmens ambitionierte Ziele gesetzt. Wie wollen Sie diese erreichen und welche Rolle spielen Lösungen für Business Intelligence und Datenmanagement dabei?
Dr. Gizelle Baker: Unser gesamtes Unternehmen erfährt aktuell die ultimative Transformation. Wir kommen aus der operativen Fertigung und werden zu einem Wissenschafts- und Technologieunternehmen. Wir wollen das Produkt, welches das Fundament der Firma war, loswerden.
Angesichts unserer Vorgeschichte können wir nur mit totaler Transparenz schrittweise Vertrauen und Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Deshalb arbeiten wir eng mit der Aufsichtsbehörde FDA (Food & Drug Administration - Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelbehörde der USA) zusammen und übermitteln unsere Daten auf Basis der CDISC-Standards. Die Daten sind für jedermann frei zugänglich, riesige Datensätze von klinischen und nicht-klinischen Studien.
Dabei helfen uns moderne BI- & Analytics-Lösungen, zum Beispiel bei der leicht verständlichen Visualisierung der Daten für die Aufsichtsbehörden aber auch in unternehmensinternen Prozessen, bis hin zur Bewältigung der extrem großen Datenmengen aus etlichen Studien.
In Deutschland gibt es beim Umgang mit klinischen Daten viele Herausforderungen, von Datenschutzbedenken bis hin zu heterogenen Quellsystemen und -daten, die eine kombinierte Nutzung erschweren. Wäre ein Standard wie CDISC in Deutschland oder Europa wünschenswert?
GB: CDISC hilft immens in der Gesundheitsforschung, da die FDA den Standard vorschreibt und somit die Datennutzung extrem vereinfacht. In Europa gibt es beispielsweise TPD (Tobacco Products Directive), die neue Tabakprodukte reguliert. Eventuell wäre das ein Ansatzpunkt Daten zusammenzuführen, natürlich unter Berücksichtigung aller datenschutzrechtlichen Aspekte. Das sollte bestenfalls weit über die Tabakforschung hinausgehen. Der Bankensektor hat es vorgemacht: dort gibt es internationale Standards. Mit klinischen Daten bewegen wir uns in die richtige Richtung.
Die Herausforderung besteht immer darin, die Daten sinnvoll zusammenzuführen: „Wie integriere ich die Daten einer Onkologie-Studie in die Tabakforschung?", und ähnliche Fragestellungen kommen dann ins Spiel. CDISC ist ein laufender Prozess, in dem ständig neue Standards für neuartige Datensätze definiert und verfeinert werden.
Was sind Ihre technischen und fachlichen Herausforderungen beim Umgang mit Daten. Helfen die neuen Analytics- & Big-Data-Technologien?
GB: Bei uns sitzen 400 Wissenschaftler unter einem Dach. Alle arbeiten mit Daten. Die FDA und CDISC erfordern die Übermittlung von Terabyte-großen Datensätzen. Das alles muss natürlich mit entsprechender Technologie und Organisationsformen untermauert werden. Im Technologiebereich hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan, sodass wir da gut aufgestellt sind. Die Tools bieten die benötigten Funktionen.
Man muss aber bedenken, dass viele der Daten die aktuell gesammelt werden, erst in Zukunft verwertet werden können. Die Herausforderung besteht darin zu wissen, was man in Zukunft sehen möchte, damit die entsprechenden Daten jetzt gesammelt werden können. Es sind also eher fachliche Fragen, die die Nutzung limitieren. Auf der technischen Seite gibt es auf jeden Fall keinen sprichwörtlichen Flaschenhals. Im Gegenteil: Möglicherweise werden die technischen Kapazitäten aktuell nicht voll ausgeschöpft.
CDISC – Clinical Data Interchange Standards Consortium
„CDISC entwickelt eine Reihe von offenen Standards für den Austausch von Daten aus klinischen Studien. CDISC ist ein in den USA von der Food and Drug Administration (FDA) akzeptierter Standard für die Einreichung klinischer Daten bei der Arzneimittelzulassung." (Quelle und weitere Informationen)
-> CDISC Webseite
Können Sie weitere fachliche Herausforderungen benennen?
GB: Aufgrund der extremen Transformation des Unternehmens brauchten wir selbstverständlich auch völlig neue Strukturen und Organisationsformen, die quasi aus dem Nichts gewachsen sind, gerade im Bereich Business Intelligence & Analytics. Teilweise müssen wir diese auch noch optimieren. Beispielsweise schätzen wir die Arbeit unserer Data Scientists sehr und setzten sie in unseren klinischen und nicht-klinischen Teams sowie für unternehmensinterne Fragen und im "Digital Team" ein. Im Moment wirken aber noch alle getrennt voneinander. In Zukunft sollen sie so viel wie nur möglich kollaborieren.
Wie sehen Sie die Zukunft von Philip Morris?
GB: Es gibt immer noch eine Milliarde Raucher auf der Welt. Wir haben dem Zigarettenrauchen den Kampf angesagt. Jetzt liegt es an uns alternative, gesunde Produkte zu entwickeln, die die Menschen vom Zigarettenkonsum abbringen. Zusätzlich gibt es für unsere Forschungsergebnisse sehr viele Anwendungsfelder jenseits von Tabakprodukten. Einige der besten Wissenschaftler weltweit sitzen aktuell in einem Tabakunternehmen, aber von unserer Forschung werden viele Branchen profitieren können.
Das Interview führte Axel Bange, Herausgeber von BI Scout und Geschäftsführer der B-Eye-Media GmbH. Er begleitet seit mehr als 13 Jahren den Business-Intelligence-Markt in verschiedenen Funktionen. Mit B-Eye-Media unterstützt er außerdem IT-Unternehmen bei Marketingstrategie und -kampagnen.
Kontakt: redaktion@bi-scout.com
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